Interview mit Wolfgang Schlag
Gibt es eine Erfahrung oder ein Ereignis, die/ das Ihr Leben nachhaltig verändert hat?
Unvergesslich bleibt mir meine 2-jährige Zusammenarbeit mit mit dem US-amerikanischen Theater- und Opernregisseur Peter Sellars für das Wiener Mozartjahr 2006. Ich war von ihm eingeladen ein Kunstprojekt an der Schnittstelle zu sozialen und gesellschaftlichen Fragen in der Stadt Wien zu kuratieren. In vielen gemeinsamen Gesprächen mit Initiativen, NGOs und Akteur:innen lernte ich von ihm das positive, offene Zugehen auf Menschen und ihre Hoffnungen und Wünsche, seine buddhistische, „radikale“ Offenheit dient mir bis heute als eines meiner Leitbilder in meiner Arbeit. Wir bespielten damals – nur um ein konkretes Beispiel zu nennen – das Künstlerhaus als Festivalzentrum und ich entwickelte dafür einen Teesalon, der von obdachlosen Frauen gemeinsam mit einer Wiener Apothekerin betrieben wurde, ein künstlerischer Weg Gesundheitsthemen und soziale Fragen niederschwellig aber ernsthaft zu vermitteln.
Was würden Sie in der Welt gerne verändern?
Es gibt wohl gerade eine defekte Synapse zwischen Erfahrung und Handeln. Das zeigte sich massiv während Corona, wo quer durch die Bevölkerung ein Misstrauen an der Wissenschaft sichtbar wurde. Heute sehen wir diese Weigerung die Wissenschaft in größere, vor allem politische Entscheidungen einzubeziehen, wieder stark vor allem an Wahlen. Ich wünsche mir also eine Welt, in der Kompetenz und Erfahrung in allen Lebensbereichen geschätzt wird, sei es im Zusammenhang mit sozialen, wirtschaftlichen oder ökologischen Themen, im Übrigen drei Themenfelder die nicht von einander zu trennen sind.
Was ist das Beste an Ihrem Beruf/ Ihrer Tätigkeit?
Meine Arbeit ist, zum Teil war sie das, weil ich in Pension bin, ein Neben – und Miteinander von journalistischer Arbeit, als Redakteur bei Ö1, und kuratorischer Arbeit, als Erfinder verschiedener Festivals, wie dem „Markt der Zukunft“ in Graz und als Musikkurator der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut. Das Schöne daran sind die vielen Begegnungen mit Künstler:innen, dem Publikum oder mit Initiativen und Akteur:innen des Wandels, Expert:innen, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen im Rahmen des Klimakulturfestivals „Markt der Zukunft“, das ich seit 5 Jahren gemeinsam mit 2 Kolleg:innen weiterentwickeln darf.
Auf welche Veränderungen hoffen Sie in der Zukunft. Sei es gesellschaftlich, menschlich, technisch etc.?
Eine zentrale Hoffnung ist, dass es zu einem Bewusstseinswandel in unserem Verhältnis zur Natur kommt. Wir sind Teil dieser Natur, an dessen Zerstörung der Mensch spätestens seit 200 Jahren arbeitet. Was finden Sie im heutigen Leben besonders schwierig im Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit? Das schließt an die Frage davor an. Denn es ist so schwer zu verstehen, dassdie Natur mit ihren so faszinierenden, so bezaubernden Erscheinungsformen, nicht ganz oben auf unsere To-Do Liste steht. Wir können so viel von der Natur lernen, was übrigens die Wissenschaft seit Jahrhunderten tut, ich denke da nur an Bionik und Biomimikry.
Wie beeinflusst der Wunsch nach einem nachhaltigeren Leben den Alltag? Oder vielleicht sogar Ihren Alltag?
Viele nachhaltige Konsequenzen im eigenen Leben ergeben sich eigentlich von selbst. Fliegen ist absolut unattraktiv. Essen wegwerfen ebenso. Das macht einfach Spaß, den Kühlschrank nachhaltig zu befüllen. Zug statt Auto, wenn es möglich ist. In meiner CO2 Bilanz bin ich bei der Hälfte des österreichischen Durchschnitts. So weit bin ich damit mal zufrieden.
Was passiert in Graz in Sachen Nachhaltigkeit im Kunst- und Kulturbereich?
Unglaublich viel, vor allem auch hinter den Kulissen. Ich weiß von vielen befreundeten Institutionen und Initiativen, wie konsequent und regelmäßig über Nachhaltigkeitsthemen diskutiert wird, mit dem Erfolg kleiner und großer Schritte. In keiner anderen Großstadt Österreichs ist das Thema Nachhaltigkeit so präsent, vor allem auch durch die vielen kleinen Geschäfte, die sich diesem Thema verschrieben haben, oder auch durch die Stadt-Initiative „GRAZ repariert“, durch die in unzähligen Betrieben der Stadt 2022 mehr als 80.000 Reparaturen durchgeführt wurden.
Was würden Sie Menschen raten, die nicht viel Zeit und Geld haben, aber dennoch nachhaltig leben möchten?
Ich würde allen raten, den Kontakt zu Gemeinschaften zu suchen, die das Prinzip der Nachhaltigkeit einerseits vermitteln, andererseits auch konkret leben. Am Land gibt es zum Beispiel Lebensmittelkooperativen oder solidarische Landwirtschaftsbetriebe und Energiegemeinschaften, die ein breites Wissen zu Nachhaltigkeit versammeln.
Was sollte Ihrer Meinung nach im Kunst- und Kulturbereich umgesetzt werden, um den Bereich nachhaltiger zu gestalten?
Auch hier lohnt es, sich in Graz umzuschauen. Die Initiative circulART MATERIALHALLE ist ein kreativer Umschlagplatz für wiederverwendbare Materialien und nachhaltige Ressourcen. Das Graz Museum hat sich in einem Jahresschwerpunkt einerseits mit dem Thema Natur in der Stadt auseinandergesetzt, aber diese Ausstellung auch zum Anlass genommen, die Nachhaltigkeit im Betrieb zu durchleuchten. Die Neue Galerie bot 2024 eine große und hervorragende Ausstellung allein aus den Sammlungsbeständen, übrigens auch ein großer Publikumserfolg.
Wenn Sie eine Ausstellung zum Thema Nachhaltigkeit im Kunst- und Kulturbereich besuchen würden, was würden Sie sich wünschen?
Einen Überblickt über internationale Positionen dazu. In diesem Zusammenhang steht auch die Architektur-Biennale in Venedig 2025 unter dem Motto „Ökologie“. Vielleicht ein Projekt, das Touren könnte und irgendwann auch in Graz Station macht.
Zum Abschluss nun, welches Tier wären Sie gerne?
Naheliegend wäre ja der Wolf, aber nicht weit davon entfernt ist auch die Katze, von denen zwei sehr originelle Exemplare, Serafina und Moses, mein Leben teilen.
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