Sieben Säulen der Armut: Mittel-Los | Heimat-Los | Würde-Los | Aussichts-Los | Scham-Los | Schonungs-Los | Obdach-Los
Wissenschaftliche Leitung: Hannes Etzelstorfer, Ausstellungswerkstatt – Wien
Eröffnung: 25.2.2004, 5 vor 12 Uhr
Geöffnet: bis 30.4.2004, MO – FR 9.00 – 17.00
Ort: Sozialamt der Stadt Graz, Schmiedgasse 26/I, 8010 Graz
Ein Tabuthema als Ausstellung?
Allen sozialen Fortschritten zum Trotz weitet sich die Armut nicht nur global in bedrohlichem Ausmaß aus, nein, sie ist auch vor unserer Haustür mitten in unserer erfolgs- und profitorientierten Gesellschaft präsent. „Die unglückliche Armut ist umso härter, als sie die Menschen lächerlich macht.“ (Juvenal, Saturae) Was schon der altrömische Dichter Juvenal konstatierte, verliert im Zeitalter der elektronischen Medien nichts an Aussagekraft: via Fernsehschirm werden wir täglich mit den Elendszentren der Welt genauso konfrontiert wie mit gescheiterten Existenzen von nebenan. Weltweit sind 1,2 Milliarden Menschen von absoluter Armut betroffen. Durch das Gespenst der Arbeitslosigkeit rückt das Problem schleichend näher, denn sie stellt eine der zentralen Ursachen für Armut und soziale Ausgrenzung dar.
Der Sozialvoyeurismus scheint zu blühen: aus sicherer Distanz werden Ursachen für und Maßnahmenkataloge gegen die Verarmung diskutiert. Diese Ausstellung über die Armut wagt sich nun auf die heikle Gratwanderung zwischen distanzierter, um Objektivität bemühter Abbildung des Elends und emotionsbeladener Sozialreportage. Sie fragt nach den Armutsfallen von einst, der Entwicklung der städtischen Armenfürsorge, nach den politischen Ansätzen zur Linderung der Not in den sozial schwachen Schichten, nach den Gründen für das Aussteigertum und Obdachlosigkeit, aber auch nach den karitativen Einrichtungen, die sich um die Not der Randgruppen unserer Gesellschaft kümmern.
Neben historischen und zeitgenössischen Belegen zur Armutsproblematik kommt in dieser Schau, die in enger Zusammenarbeit mit der CARITAS und der Österreichischen Armutskonferenz entstand, der künstlerischen Reflexion ein besonders breiter Raum zu.
Im Unterschied zur Armut selbst ist jedoch das künstlerisch formulierte Bild der Not kaum mehr als ein halbes Jahrtausend alt. Auch wenn die Künstler selbst oft zur klassischen Gruppe der Betroffenen zu zählen ist. Gerade das Bild des „armen Spielmannes“ prägte in der Musik und Literatur unsere Vorstellung von der „brotlosen Kunst“ und ließ allzu schnell die oft prekäre Situation von Künstlern vergessen. Diese Ausstellung will aber nicht allein die materielle Armut vor unserer Haustür, sondern auch die seelische Verarmung in der Gestalt der Wohlstandsverwahrlosung, der inneren Immigration, der zunehmenden Austrocknung sozialer Kontakte thematisieren. Beleuchtet werden auch das kirchliche Armutsideal und die Rolle der Bettelorden seit ihrem Entstehen und ihrem Wirken im städtischen Raum.Historiker, Sozialwissenschafter, Volkskundler, Ethnologen, Kunsthistoriker, Medienfachleute, Politiker, Theologen und Sozialarbeiter konnten für dieses Projekt gewonnen werden, um aus ihrer Sicht das komplexe Problem zu erörtern. Wie unterschiedlich Ursachen und Wesen der Armut im Laufe der Zeit immer wieder beurteilt werden, geht auch aus den oft widersprüchlichen Wortspenden hervor, die zugleich eine Vorstellung von der Komplexität des Themas vermitteln.
(Hannes Etzlstorfer)
Katalog zur Ausstellung auf Kommissionsbasis: Hannes Etzlstorfer (Hrsg.), Armut. Ausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Schwarzweißabbildungen broschierte Ausgabe, 300 Seiten (Artikelnummer: A298) EUR 22,50
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